Sword of the Sea: Geheimnisvoll, mysteriös und wunderschön – Review



Als ich zum ersten Mal in Sword of the Sea das Schwert bestieg, das mehr an ein schwebendes Surfbrett als an eine Waffe erinnert, war mir sofort klar, dass Giant Squid hier wieder einen ganz eigenen Ton anschlägt. Schon die ersten Minuten lassen spüren, dass es nicht um hektische Gefechte oder klassische Missionsstrukturen geht, sondern um eine Reise, die mehr mit Bewegung, Atmosphäre und Emotion arbeitet. Es ist dieses Gefühl des Eintauchens in eine fremde, aber zugleich vertraute Welt, das schon Abzu und The Pathless auszeichnete und hier in neuer Form zurückkehrt. Alles wirkt so, als wolle das Spiel von Anfang an keinen Zweifel daran lassen, dass es nicht um Sieg oder Niederlage geht, sondern um das Erleben, um das Schweben im Zwischenraum von Ruhe und Dynamik.

Ein Ozean aus Stille und Farben

Sword of the Sea beeindruckt mit einer Ästhetik, die wie ein bewegtes Gemälde wirkt. Jede Szene scheint sorgfältig komponiert, fast so, als hätte man einen Pinselstrich aus einem Kunstwerk gelöst und in Bewegung versetzt. Die Welt ist karg und weit, voller Dünen, Ruinen und verlassener Tempel, doch gerade diese Reduktion sorgt für eine Sogwirkung. Beim Gleiten durch diese Landschaft öffnet sich der Blick immer wieder auf Panoramen, die wie Postkartenmomente eingefroren sein könnten.

Besonders faszinierend ist die Transformation der Welt: Wenn Wasser in diese trockenen Ebenen zurückkehrt, verwandelt sich nicht nur die Umgebung, sondern die Stimmung gleich mit. Aus einer stillen, sandigen Weite wird ein lebendiges Meer, in dem sich das Gefühl von Neubeginn und Hoffnung spiegelt. Dieser Wandel wird von der Musik verstärkt, die nicht aufdringlich ist, sondern genau im richtigen Moment anschwillt oder wieder verklingt. So entsteht eine Atmosphäre, die zugleich meditativen Charakter hat und dennoch mitreißend wirkt.


© Giant Squid

Gleiten, Schweben, Fließen

Das Herzstück ist die Bewegung, und sie ist mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Das Schwert als Surfbrett verbindet das Spielerlebnis mit etwas, das zwischen Sport und Tanz liegt. Schon nach wenigen Minuten entwickelt sich ein Gefühl von Freiheit, wenn man über Dünen hinwegzieht oder einen Sprung elegant in eine Landung verwandelt. Die Steuerung ist so feinfühlig, dass selbst kleine Bewegungen spürbar Einfluss haben, und genau darin liegt der Reiz: Man spürt das Gewicht, den Schwung, das Timing.

Anfangs genügt es, Geschwindigkeit aufzunehmen und die Landschaft wie eine Rampe zu nutzen, später aber kommen Drehungen, Sprünge und komplexere Tricks dazu. Hier zeigt sich die Liebe zum Detail, mit der Giant Squid das Spielgefühl ausgearbeitet hat. Jede kleine Steigung, jede Kurve im Terrain lädt dazu ein, sie spielerisch zu nutzen. Es entsteht dieses Flow-Gefühl, bei dem man ganz in die Bewegung eintaucht und die Welt um sich herum fast vergisst. Wer Boardsportarten kennt, wird dieses Erlebnis sofort wiedererkennen, und für alle anderen ist es eine Einladung, in ein völlig neues Körpergefühl einzutauchen.

Geschichten ohne Worte

Die Handlung von Sword of the Sea ist reduziert auf das Wesentliche, doch gerade darin liegt ihre Stärke. Man spielt den Wraith, eine geheimnisvolle Gestalt, deren Aufgabe es ist, eine vertrocknete Welt ins Leben zurückzuführen. Statt in Zwischensequenzen oder durch Dialoge zu erklären, lässt das Spiel Bilder sprechen. Alte Ruinen, versunkene Monumente, Symbole im Sand oder versteckte Statuen – sie alle erzählen von einer Vergangenheit, die nur noch in Fragmenten existiert.

Diese Art von Erzählweise fordert Spieler*innen dazu auf, selbst zu interpretieren. Man stellt sich Fragen: Wer lebte hier einst, warum ist das Wasser verschwunden, welche Rolle spielt der Wraith wirklich? Nichts davon wird klar beantwortet, und doch liegt genau in dieser Offenheit eine besondere Stärke. Es ist eine stille Poesie, die nicht jedem gefallen wird, aber die jene belohnt, die sich auf Andeutungen und Atmosphäre einlassen können. Wer eine klassische Story erwartet, könnte enttäuscht sein, wer aber Freude an wortlosen Erzählungen hat, wird hier eine dichte und fast schon spirituelle Erfahrung finden.


© Giant Squid

Technik im Hintergrund

Technisch präsentiert sich Sword of the Sea unaufdringlich, aber solide. Die Systemanforderungen sind vergleichsweise moderat, sodass auch Mittelklasse-Hardware ein stimmiges Erlebnis ermöglicht. Besonders auf höheren Grafikeinstellungen zeigt sich die Stärke der Licht- und Partikeleffekte, die Wasser, Sand und Architektur in einem besonderen Glanz erstrahlen lassen. Auf dem PC profitieren Spieler*innen zudem von flexiblen Optionen, um Bildrate und Auflösung optimal auf die eigenen Systeme abzustimmen.

Auf der PlayStation 5 läuft das Spiel mit stabilen Bildraten und schnellen Ladezeiten, wodurch das nahtlose Erlebnis kaum unterbrochen wird. Auch wenn es keinen Fokus auf technische Innovation legt, ist die Präsentation rund und konsistent. Wer hyperrealistische Grafik erwartet, könnte enttäuscht sein, doch Sword of the Sea verfolgt bewusst eine stilisierte Richtung, die seine eigene Schönheit entfaltet. Dieser Ansatz sorgt auch dafür, dass die Optik mit der Zeit nicht so schnell veraltet, sondern ihre zeitlose Qualität bewahrt.

Kurze Reise, langer Nachhall

Die Spielzeit von Sword of the Sea ist überschaubar, je nach Spielweise etwa drei bis sechs Stunden. Doch die Länge sollte nicht täuschen, denn die Intensität der Erfahrung ist hoch. Wer den direkten Weg geht, erlebt eine kompakte Reise, die fast wie ein Film wirkt. Wer aber die Mechaniken vertieft, Tricks übt und versteckte Orte erkundet, findet schnell Gründe, länger zu verweilen.

Gerade die Bewegung selbst motiviert dazu, Abschnitte erneut zu durchqueren, nur um die perfekte Linie zu ziehen oder einen besonders weiten Sprung noch eleganter zu meistern. Manche Passagen laden dazu ein, sie mehrfach auszuprobieren, weil sich jedes Mal ein anderes Gefühl ergibt. Das Spiel lebt nicht von der Länge, sondern von der Qualität der Momente, und genau diese bleiben auch nach dem Abspann im Gedächtnis.


© Giant Squid

Wenn alles im Fluss ist

Die größten Stärken liegen eindeutig im Spielgefühl. Das Gleiten ist präzise und befreiend, die Weltgestaltung wirkt durchdacht und kunstvoll, und die Musik untermalt alles mit einer feinen Balance aus Zurückhaltung und Intensität. Giant Squid beweist damit einmal mehr, wie stark ein Spiel sein kann, wenn Bild, Ton und Bewegung perfekt ineinandergreifen.

Sword of the Sea ist kein Spiel, das man einfach „durchspielt“. Es ist eine Erfahrung, die man durchlebt, ein Gefühl, das man zulässt. Der Moment, in dem man durch eine Landschaft gleitet und die Musik im Einklang mit der Bewegung anschwillt, ist unvergesslich. Genau darin liegt die Faszination: das Gefühl, im Fluss zu sein, nicht nur im Spiel, sondern für einen Moment auch innerlich.

Nicht für jeden ein optimales Erlebnis

Natürlich hat auch Sword of the Sea Schwächen. Die Kürze der Reise kann für manche zu enttäuschend sein, vor allem für Spieler*innen, die ein langes Abenteuer erwarten. Manche Bewegungen wiederholen sich nach einigen Stunden spürbar, wodurch der Flow für kurze Zeit ins Stocken geraten kann. Die optionalen Herausforderungen, die eher Highscore-orientiert sind, werden nicht alle begeistern, sondern sprechen eher Spieler*innen an, die nach Wiederholbarkeit suchen.


© Giant Squid

Fazit

Sword of the Sea ist ein neuer Titel des Studios, das seine Vision kompromisslos umsetzt. Es ist eine kurze, intensive Reise, die Spieler*innen vor allem durch das Gefühl der Bewegung in den Bann zieht. Der eindrucksvolle und wunderschöne Stil zeigt wiedermals wie schön und kreativ die Indiewelt glänzen kann. Das Gameplay ist simpel und doch effektiv, sodass in keinem Moment Langeweile auftauchen kann. Wer sich darauf einlässt, findet eine Erfahrung, die lange nachhallt, wie in den vorherigen Spielen von Giant Squid auch jedes Mal aufs Neue eindrucksvoll bewiesen worden konnte.